Am Sonntag, 12. Mai lud das linXXnet zu einer Stadtteilversammlung in das Haus der Begegnung neben der Asylunterkunft in der Arno-Nitzsche-Str. 37 ein.
Die Veranstaltung verstand sich als Fortführung der Diskussion zu Graffiti & teuren Neubauten, die im Dezember 2018 im UT Connewitz stattgefunden hatte (https://www.youtube.com/watch?v=KGIe2jnCIRo). In diesem Rahmen wurde kontrovers über Graffiti im öffentlichen Raum als Kunst, Protestform und Ärgernis diskutiert. Sowohl Graffiti-Aktivist*innen, Hausbesitzer*innen als auch zahlreiche Bewohner*innen des Stadtteils beteiligten sich an der Debatte.
Die Stadtteilversammlung griff verschiedene in dem Rahmen angesprochene Themen auf. Im Fokus standen Mieten/Wohnen, Ordnungspolitik und die Situation von in Kultur- und Gastro Tätigen.
Der Grundansatz des Formats der Stadtteilversammlung war und ist die Bewohner*innen des Viertels mit ihren verschiedenen Perspektiven, Wünschen und Kritiken ins Gespräch zu bringen und gemeinsam, von unten Ideen und Lösungen auf den Weg zu bringen.
Klar: Connewitz ist ein besondere Stadtteil. Eine bewegte Geschichte und zahlreiche politische und kulturelle Projekte prägen Bild und Wahrnehmung. Gleichzeitig gibt es eine massive mediale und ordnungspolitische Stigmatisierung. Die Bewohner*innenschaft des Viertels ist heterogener als es sowohl öffentliche Darstellung als auch Selbstverständnis von politischen Aktiven suggerieren.
Auch hier wohnen zahlreiche ältere Menschen, junge Familien, prekäre, aber auch gut verdienende Menschen mit verschiedenen Perspektiven auf gesellschaftliche Herausforderungen. Es eint sie, dass sie hier ihren Lebensort gefunden haben, den sie schätzen, an dem sie wohnen und den sie gestalten wollen.
Die sozialen und stadtentwicklungspolitischen Herausforderungen machen auch vor Connewitz nicht halt. Steigende Mieten, der Verlust an Grünflächen und Freiräumen, prekäre Arbeitsverhältnisse, Altersarmut und die Verrohung des Miteinanders sind auch hier anzutreffen.
Zu Beginn der Stadtteilversammlung am 12. Mai, an der zirka 60 Menschen teilnahmen, standen kurze Impulse von Akteuren aus Connewitz und darüber hinaus:
Die Mietsprechstunde Süd warf einen Blick auf Fälle aus ihrer Beratungstätigkeit und plädierte für eine stärkere Organisierung von Mieter*innen, ein Vertreter des Haus- und Wagenrat und der SOWO-Genossenschaft zeigte Modelle auf, die auf Übernahme von Häusern in kollektive, gemeinnützige Verwaltung orientieren.
Im zugehörigen Workshop wurde u.a. über die Mieter*innenkämpfe der Thierbacher Straße 6 und Kochstraße 124 diskutiert, aber auch das Fehlen bezahlbaren Wohnraums thematisiert. Die erarbeiteten Forderungen sind hier aufgeführt:
Zu ordnungspolitischen Strategien führten eine Vertreterin vom Machtlos e.V. und die Wissenschaftlerin Stephanie Schmidt ein. Hier ging es um die massive Polizeipräsenz im Viertel, die sich aktuell auch durch Fußstreifen der Bereitschaftspolizei, schon über 5 Jahre durch einen „eigenen“, durchaus umstrittenen Polizeiposten und seit 20 Jahren durch polizeiliche Dauervideoüberwachung ausdrückt. Der kriminalisierende Umgang von Ordnungsbehörden mit dem Viertel hat negative Effekte auf sozial Deklassierte und Migrant*innen, die schneller ins Visier geraten, aber auch für den linken Lebensstil. Soziale Probleme, wie zum Beispiel auch Entmietung, werden als Sicherheitsprobleme behandelt und „weggeordnet“ statt gelöst.
Forderungen aus dem Panel:
Zum Thema Kultur und Gastro gaben Vertreter*innen aus dem PIVO und aus dem UT ihre Perspektiven in die Runde. Im Kiez arbeiten sowohl gewerblich organisierte Läden, als auch solche, die auf ehrenamtlicher Arbeit basieren. Themen waren hier sowohl Transparenz über die Kosten, die hinter dem Bierpreis stehen (Miete, Entlohnung) als auch das harte Brot von Kulturarbeit, die mit und auch ohne Förderung arbeiten muss. Auf der anderen Seite steht die Frage des Zugangs zu Geselligkeit und Kultur, auch für die, die keine Kohle haben. In dem Panel wurde auch stark über grundsätzliche Konflikte gesprochen: Wer definiert die „Gesetze“ des Kiezes und setzt diese durch. Warum wird so wenig kommuniziert und oft gleich „durchgegriffen“. Fehlen dafür Räume? Und warum sind bei der Versammlung nicht mehr verschiedene Perspektiven vertreten? Die Ergebnisse finden sich hier:
Unterm Strich lässt sich festhalten: Das Experiment einer ersten Stadtteilversammlung hat funktioniert. In den Panels wurden Probleme transparent und Lösungswege skizziert. Unter vielen Teilnehmenden gab es Optimismus, dass ein solches Format des Zusammentreffens, Vernetzens und Diskutierens durchaus eine wichtige Basis für das Zusammenleben und Gestalten im Stadtteil sein kann.
Ergo: Wir werden es erneut versuchen und laden herzlich ein Mitzuwirken.