Herausforderungen aus dem Dialog mit Linken in der Ukraine
Von Jule Nagel, Gregor Henker, Eva Olivin, Mark Gärtner | English version of the article here
>>>>>Der Text beruht auf den Gesprächen, die während einer Delegationsreise, in deren Rahmen auch humanitäre Hilfe an ukrainische Organisationen übergeben wurde, vom 20. Januar bis 30. Januar 2023 geführt worden. Die Reise wurde vom linXXnet Leipzig organisiert und an ihr nahmen unter anderem Jule Nagel, Gregor Henker, Eva Olivin, Mark Gärtner teil, deren Eindrücke der Text spiegelt. Ziel der Reise war unter anderem, den Rufen von osteuropäischen Linken zu folgen, nicht nur über sie, sondern mit ihnen zu sprechen.<<<<<
Bei einer Fahrt in die Ukraine sind an allen Ecken Freiwilligen-Initiativen zu sehen, die auch Funktionen des Staates übernehmen: Teils, weil vom Staat traditionell fast nichts erwartet wird, teils, weil er einfach versagt. Diese beispiellose Selbstorganisierung der Ukrainer*innen ist als «ukrainischer Kommunismus» zum geflügelten Wort geworden. Dies gibt zum Beispiel Artem Tidva, Mitarbeiter des großen Gewerkschaftsbund FPU, Hoffnung für die Zeit nach dem Krieg: Eine soziale Politik werde dann zwar nicht von selbst kommen, aber die Menschen, die den «ukrainischen Kommunismus» gerade selbst praktizieren, werden diesen Ansatz womöglich in friedliche Zeiten übersetzen wollen.
In Kyjiw kann man dies zum Beispiel in der Soli-Küche im Stadtteil DVRZ sehen, die Freiwillige nach dem russischen Angriff am 24. Februar 2022 ins Leben gerufen hatten und mit der sie die durch den russischen Angriff in Not geratenen Menschen unterstützten. In den ersten Wochen und Monaten nahmen täglich mehrere hundert Menschen das Angebot wahr. Die ehrenamtlichen Helfer*innen übernahmen und übernehmen staatliche Aufgaben der sozialen Versorgung, da die politisch Verantwortlichen sich erst Wochen nach der russischen Invasion hätten sehen lassen. Dies stieß auf Zustimmung der Bevölkerung. «Wenn das, was wir hier an Unterstützung und Solidarität leisten, «links» ist, dann hat das politisch eine gute Perspektive. Darüber allerdings werden wir erst nach dem Krieg sprechen können.», sagt uns ein junger Informatiker, der gerade einberufen wurde und in wenigen Wochen an die Front muss. Begeistert ist er über die Einberufung nicht.
Neben den neu entstanden Freiwilligen-Initiativen sind auch einige linke Gruppen bereits seit langem in der Ukraine aktiv. Das analytische Magazin «Commons» publiziert immer wieder Analysen der ukrainischen Gesellschaft, die Initiative «Marker» dokumentiert rechte Gewalt. Im Laufe des Krieges ist das anarchistisch geprägte Netzwerk Solidarity Collective entstanden, welches unter anderem humanitäre Hilfe liefert. Auch die Gruppe Sozialny Rukh (Soziale Bewegung) ist seit langem aktiv in der Ukraine.
Die politische Landschaft der Ukraine – Blickwinkel von links
Auch wenn in Deutschland oftmals über Nationalismus und faschistische Organisierung in der Ukraine gesprochen wird, stellt zum Beispiel Sergiy vom «Marker»-Kollektiv heraus, dass extrem rechte Parteien wie Swoboda, Rechter Sektor oder der politische Arm von Asow «Corpus national» bei den vergangenen Parlamentswahlen 2019 zusammen nicht annähernd die 5 %-Klausel überschritten haben. Natürlich kämpften auch Faschisten in der Armee, genau wie es Linke tun. Die politische Zukunft des Landes werde allerdings nicht dort ausgehandelt. Durch die Eingliederung des bekannten rechten Asow-Bataillons in die ukrainische Armee im November 2014 konnte eine langfristige Entpolitisierung und Entradikalisierung der Gruppe erreicht werden. Nichtsdestotrotz werden die Kämpfer dieser Truppe durch ihre militärische Schlagkraft stark heroisiert und haben für Neonazis aus ganz Europa weiterhin eine Anziehungskraft. Ganz sicher ist die Sensibilisierung für Gefahren des Nationalismus und menschenfeindlicher Ideologien und der Kampf dagegen auch in der Ukraine eine dringliche Aufgabe, vor allem wenn die Brutalität des Krieges sich gezwungenermaßen weiter in die ukrainische Gesellschaft einschreibt. Auf der anderen Seite sollten wir analysieren und anerkennen, dass der ukrainische Nationalismus vom westeuropäischen und insbesondere dem deutschen Nationalismus abgegrenzt werden muss. Das Ringen um eine ukrainische Nationalstaatsbildung geht bis ins 17. Jahrhundert zurück und wurde vor allem von Russland bzw. später der Sowjetunion behindert und zum Teil sogar repressiv bekämpft. Die hierzulande unterbelichtete ukrainische Geschichte sollte zumindest das Bewusstsein dafür öffnen, dass Ukrainer*innen den russischen Angriff und die Gebietsansprüche als koloniale Praxis begreifen und ihren Kampf dagegen als einen antikolonialen Kampf.
Es gibt in der Ukraine weder eine sozialdemokratische noch eine sozialistische Partei. Die Kommunistische Partei der Ukraine wird von ukrainischen Linken, mit denen im Rahmen der Delegationsreise gesprochen wurde, klar als reaktionär und russlandtreu bezeichnet. Eine zukunftsgewandte linke, sozialistische und internationalistische Politik vertritt sie nicht. Das in Kriegszeiten angeordnete Verbot mehrerer Parteien, die sich links oder sozialistisch nennen, stieß nichtsdestotrotz auf Kritik von linken Organisationen.
Sozialny Rukh versucht perspektivisch diese Leerstelle zu füllen: Sie fungiert als Sammlungsbewegung linker Gewerkschafter*innen, linker Theoretiker*innen, Feminist*innen und Klimaaktivist*innen. Und sie wächst, vor allem durch den Zugang junger Menschen. In Fragen des EU-Beitritts oszilliert Sozialny Rukh zwischen einer proeuropäischen Position hinsichtlich menschenrechtlicher Garantien und Korruptionsbekämpfung auf der einen Seite und Forderungen nach einer Reform der EU zu einem sozialen und demokratischen Staatenverbund, der nicht auf kapitalistischen Prinzipien basiert, auf der anderen Seite. Eine positive Perspektive auf einen EU-Beitritt verbunden mit der Hoffnung, dass die Ukraine damit ökonomisch auf die Füße kommt, wird auch von anderen Linken in der Ukraine geteilt. Bei der Frage nach der Position zur NATO ist jedoch klare Skepsis zu vernehmen. Die NATO brauche es nicht, stattdessen bräuchte die Ukraine gerade in der derzeitigen Situation aber Sicherheitsgarantien. Nach dem Krieg müsse dringend über ein neues globales Sicherheitssystem gesprochen werden. Sozialny Rukh arbeitet auch auf eine Parteigründung hin. Das wäre ein Novum in der jüngeren ukrainischen Geschichte – in einem Land, dessen politisches System durch den Einfluss von Oligarchen zutiefst geprägt ist und deren große Parteien keine Weltanschauungs- und Mitgliederparteien sind, sondern als ideologiefreie «Catch-all-Parteien» mit neoliberaler Prägung auftreten.
Wirtschafts- und Sozialpolitik im Krieg… und danach?
Ein Schwerpunkt der Aktivitäten der linken Gruppen ist einerseits die soziale Situation in der Ukraine, die sich durch den Krieg verschlechtert. Viele Menschen sind auf die humanitäre Hilfe von zivilgesellschaftlichen Organisationen angewiesen, die allerdings stetig weniger wird. Die Sozialleistungen und Löhne reichen nicht aus, um gerade diese schwere Zeit des Krieges zu bewältigen. Sozialny Rukh wirbt beispielsweise für einen Schuldenerlass für die Ukraine und die Länder des globalen Südens. Die Ukraine ist seit dem Beginn des russischen Krieges 2014 immens verschuldet (Stand 2020: 129 Milliarden US Dollar) und hatte riesige Rückzahlungen an den Internationalen Währungsfond, die Weltbank und die EU-Kommission zu leisten. Diese Rückzahlungen sind seit der Ausweitung des Krieges 2022 nicht mehr zu bewältigen. Zwar wurde kürzlich ein Schuldenmoratorium beschlossen, jedoch wird perspektivisch über einen echten Erlass zu sprechen sein. Hier treffen sich die Forderungen ukrainischer und deutscher Linker.
Andererseits beschäftigen sie die Fragen globaler Hilfen zum Wiederaufbau des Landes. Insbesondere der Wiederaufbau muss zwingend mit sozialen Garantien für die Bevölkerung verknüpft werden. Das neoliberale Diktat der Geld- und Kreditgeber, die Sozialausgaben zu senken, muss strikt zurückgewiesen werden. Denn auch nach dem Krieg steht und fällt die Stabilität der ukrainischen Gesellschaft und auch die Integration der momentan annektierten Gebiete im Osten mit existenzsichernden, universellen Sozialleistungen und Löhnen. Derzeit ist das Gegenteil zu beobachten: Der Staat nutzt die aktuelle prekäre Situation des Krieges um den mittelfristig ohnehin geplanten neoliberalen Umbau der sozialen Sicherungssysteme voranzutreiben. So sollen Sozialleistungen auf die reine Versorgung von sehr armen Menschen reduziert und soziale Dienste privatisiert werden. Auch eine Reform der Altersvorsorge im Sinne der Abschaffung des solidarischen Systems ist im Gespräch. Der Krieg leistet der weiteren Deregulierung der Arbeitsverhältnisse, Privatisierungen und Korruption Vorschub. Aus Sicht von Commons und Sozialny Rukh braucht es aber Umverteilung, eine Erhöhung der Einkommenssteuer und eine Bewegung für einen solidarischen Sozialstaat.
Gegen die Reformen in Kriegszeiten regt sich aber auch Protest der Gewerkschaften, allerdings unter erschwerten Bedingungen. Aufgrund der Einschränkungen des Versammlungs- und Streikrechts haben Gewerkschaften während des Krieges nur eingeschränkte Möglichkeiten, um für die Rechte von Lohnabhängigen zu streiten: Mit Aushandlungen im Hinterzimmer, durch Klagen vor Gericht und durch kontinuierliche Information der Arbeiter*innen. Gewerkschaftliche Aktivisten wie Oleksandr Skyba von der Gewerkschaft der Eisenbahner, Mitgliedsgewerkschaft der Konföderation der freien Gewerkschaften in der Ukraine, finden nicht, dass Protest und Streik im Krieg zu gefährlich für die Demonstrierenden sind. Doch der Vorwurf, die Verteidigung des Landes zu behindern und für Russland zu arbeiten, könne schnell kommen. Dennoch versuchen sie auch in diesen Zeiten ihr Bestes. Und das Kampffeld ist groß: Denn schon vor 2022 und vor 2014 mussten sie gegen den Trend der Deregulierung kämpfen. Einen anderen Aspekt benannte Oleksandr noch: Nach der Annexion des Donbas durch Russland hätte die Ukraine die Zahlung von Gehältern und Sozialleistungen für die Menschen dort eingestellt. Der Effekt ist offensichtlich: Während einige Betroffene anfangen mussten, für russische Unternehmen zu arbeiten, verelendeten andere – oder flohen. Doch die Gewerkschaften leisten auch bei Evakuierungen und Unterstützung ihrer direkt von Bomben und Zerstörung bedrohten Mitglieder essentielle Arbeit.
«Wer wird die Kosten des Krieges tragen?» fragte Artem Tidva, Mitarbeiter des großen Gewerkschaftsbunds FPU. «Die Arbeiter*innen haben gerade jetzt fast nichts mehr. Wir brauchen Umverteilung!» Damit meint er einerseits die Oligarchen, aber auch die einfachen Führungsebenen in den Unternehmen und Politiker*innen, die sich ausgerechnet jetzt ihre Gehälter erhöht hätten. All diese Leute würden sehr gut bezahlt, auch deshalb, weil Korruption in der Ukraine nie wirklich bestraft werde.
Kriegsverbrecher*innen juristisch beikommen
In Kriegszeiten ist für zivilgesellschaftliche Akteur*innen die Dokumentation von Kriegsverbrechen ein wichtiges Tätigkeitsfeld. Eine der 25 in diesem Feld aktiven Organisationen ist das Center for Civil Liberties (CCL). Sie dokumentieren Kriegsverbrechen, um eine Anklage russischer Entscheidungsträger*innen sowie einfacher Soldat*innen vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu unterstützen. Das CCL ist beteiligt an der Initiative “Tribunal for Putin – T4P” und hat 2022 zusammen mit dem belarusischen Rechtsanwalt Ales Bjaljazki und Memorial, der Menschenrechtsorganisationen aus Russland, den Friedensnobelpreis verliehen bekommen. Über 30.000 Kriegsverbrechen haben sie in den ersten zehn Kriegsmonaten bereits dokumentiert. Laut Geschäftsführerin Oleksandra Romantsowa gibt es derzeit drei Gruppen in der Ukraine, die besonders gefährdet sind: Zivilist*innen, die gewaltsam vertrieben werden, Menschen, die von Filtration (Auslese) betroffen sind und Kinder, die verschleppt werden. Das internationale Recht ist jedoch längst noch nicht auf der Stufe, auf der es sein sollte. Die Straftatbestände Genozid, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen können alle juristisch problemlos vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag (IStGH) verhandelt werden, vorausgesetzt, die Täter*innen gehen den Strafverfolgungsbehörden eines Tages ins Netz. Für das Verbrechen der Aggression aber wird es voraussichtlich eines Sondertribunals bedürfen, das von der UN-Generalversammlung noch ins Leben gerufen werden müsste – eine Herausforderung, die die ukrainische Diplomatie und Zivilgesellschaft derzeit angehen.
Das CCL stützt sich bei seiner Dokumentationsarbeit auf vielerlei Quellen. Es versucht beispielsweise, Handy-Videos und -Bilder zu verifizieren. Denn unabhängig davon, wer besonders gefährdet ist – jede*r in der Ukraine kann innerhalb von Sekunden Zeug*in eines Kriegsverbrechens werden. Dabei kooperieren die NGOs und die ukrainische Justiz mit dem Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Kharim Khan. Ermittler*innen des Internationalen Strafgerichtshofes sind in der Ukraine auch tätig, zum Beispiel in Bucha.
Die 30.000 Einwohner*innen zählende Stadt wurde am 27. Februar 2022 von der russischen Armee eingenommen und blieb bis Ende März unter russischer Kontrolle. Inzwischen sind 419 Menschen, vor allem Zivilist*innen, belegt, die in dieser Zeit ermordet wurden. 116 von ihnen wurden zeitweise in einem Massengrab hinter der Kirche des Priesters Andrej begraben. Alina Saraniuk von der Stadtverwaltung Buchas, weiß auf die Frage, wie die Menschen mit dem Trauma umgingen, keine rechte Antwort: «I don‘t know. It‘s just there.» Insgesamt arbeiten über 20 Psycholog*innen im Bucha Centre for Psychological Support. Das Sprechen sei nicht immer möglich. Gerade das Schweigen der Frauen, die vergewaltigt wurden, werde lange anhalten, wenn nicht für immer fortdauern. Und es gibt mehrere Buchas: Viele Orte in der Oblast Kyjiw (Region Kyjiw) waren über Wochen von der russischen Armee besetzt und wurden zu großen Teilen zerstört, was auf einer Fahrt aus Kyjiw heraus sichtbar ist. So auch in Vyschhorod. Erst im November letzten Jahres traf eine Bombe hier ein Wohnhaus – Kita und Schule in direkter Nachbarschaft. Sieben Menschen starben. Menschen, die aus den östlichen Gebieten der Ukraine geflohen waren. Tanya Samoylenko, Abgeordnete der Oblast Kyjiw, betont die Notwendigkeit humanitärer Unterstützung und Aufmerksamkeit zum Beispiel durch Städtepartnerschaften. Eine sehr konkrete und wirksame Möglichkeit der praktischen Unterstützung, die auch in Bucha eine große Rolle spielt. Die stellvertretende Bürgermeisterin von Bucha, Mykhaylyna Skoryk-Shkarivska, verabschiedet uns mit den Worten: «Der kriminelle Putin hat Jahrzehnte ungestraft agieren können. In Tschetschenien, Georgien, Syrien, seit 2014 in der östlichen Ukraine. Die Verbrechen in Bucha und all die anderen in der Ukraine müssen die letzten gewesen sein.»
Die politische Mammutaufgabe – der Dialog zwischen ukrainischen und deutschen Linken
Eins hat die Reise in die Ukraine deutlich gezeigt: Obwohl es Kontakte zu deutschen Linken und vereinzelt auch praktische Unterstützung gibt, distanziert sich die ukrainische Linke zunehmend von der LINKEN. Eine Akteurin fasste es gut zusammen: «Wenn sich die Linkspartei im Bundestag und in der öffentlichen Debatte bei der Frage von Waffenlieferungen zumindest enthalten würde, wäre das für unsere Position in der ukrainischen Gesellschaft hilfreich. Was wir brauchen, ist ein unmissverständliches Zeichen der Solidarität mit der Ukraine, mit den Menschen hier – und eine klare Abgrenzung von Putins Russland.» Sanktionen hingegen, insbesondere die Frage ihrer effektiven Durchsetzung, werden in der Linken in ganz Europa diskutiert und könnten ein einendes Band in diesen Zeiten sein.
Als Partnerin wird der LINKEN auch deshalb Skepsis entgegengebracht, weil ukrainische Linke ohnehin im Verdacht stehen, verkappte Stalinist*innen zu sein. Der Unabhängigkeitskampf der Ukraine ist in dieser Erzählung auch die Fortsetzung des Kampfes gegen die Sowjetunion und wird so auch oft als antikommunistisch verstanden. «Links sein» von dieser Erzählung zu entkoppeln, ist eine Mammutaufgabe, der sich SozRukh angenommen hat. Zuviel Nähe mit uns, zum Beispiel auf Social Media zelebriert, könne dieses Unternehmen gefährden, so die Befürchtung der ukrainischen Genoss*innen. Ein weiteres Thema für den Dialog wäre der Austausch zum Euro-Maidan, der von ukrainischen Linken ganz anders wahrgenommen wird als in Deutschland, wo oftmals allein auf die Faschist*innen auf dem Platz fokussiert wird. Deren Präsenz wird von ukrainischen Linken auch gar nicht negiert, stattdessen stellen sie selbstbewusst klar, dass auch sie zugegen waren – gemeinsam mit vielen anderen, die keine Nazis sind. Nur politisches Kapital hätten sie als Linke nicht aus ihren Protesten ziehen können.
Für den weiteren Dialog braucht es deshalb Solidarität mit den vom Krieg betroffenen Menschen und einen entschiedenen Widerspruch gegen russische Bombardierungen, Massaker an Zivilist*innen, Anschläge auf zivile Infrastruktur und Kriegsverbrechen jeglicher Couleur. Hierzu gehört die klare Benennung und Verurteilung der für den völkerrechtswidrigen Krieg Verantwortlichen um Vladimir Putin sowie der völkerrechtswidrigen Annexionen ukrainischen Staatsgebietes. Es braucht die Unterstützung der Organisationen, die Kriegsverbrechen dokumentieren mit dem Ziel, Putin und seine Unterstützer*innen vor dem Internationalen Strafgerichtshof und im Rahmen eines Sondertribunals anzuklagen. Darüber hinaus sollte die humanitäre Unterstützung von Kriegsopfern innerhalb der Ukraine sowie jenen, die nach Europa fliehen, unabhängig von deren Pass und Herkunft und Zugehörigkeit zu marginalisierten Gruppen (z.B. Rom*nja) sowie die Unterstützung von linken Organisationen, Initiativen, Gewerkschaften und Projekten in ihrer Arbeit gegen den Krieg und zur Linderung der Folgen des Krieges sowie ihrer Kämpfe für soziale Gerechtigkeit und Demokratie innerhalb der Ukraine eine Selbstverständlichkeit sein. Ein regelmäßiger Austausch mit Vertreter*innen linker Organisationen in der Ukraine sollte stattfinden, um bei der Entwicklung eigener Positionen zur Beendigung des russischen Krieges die Perspektiven der Verbündeten vor Ort ernst- und aufzunehmen, nicht nur im Fall der Ukraine.