Für den 30. Januar 2023 planen mehrere Gruppen auf Einladung des Oberbürgermeisters Burkhard Jung eine Lichterkette um den Leipziger Ring, für Demokratie, Solidarität, Menschenrechte und sozialen Zusammenhalt. Weiterhin findet davor eine Mahnwache statt, um an den 30. Januar 1933 als den Beginn des nationalsozialistischen Terrors durch die Übergabe der Macht an Hitler zu erinnern. Der Aufruf kann hier noch einmal gelesen werden: https://www.stiftung-fr.de/aktuelles/artikel/am-30-januar-2023-leipzig-leuchtet-fuer-demokratie-und-menschenrechte
Wir unterzeichnen den Aufruf, allerdings mit Bauchschmerzen. Wir unterzeichnen ihn, weil wir es für essenziell halten, dass Demokratie, freie Gesellschaft und Meinungsfreiheit keine Selbstverständlichkeiten sind. Faschisten, rechte Terrornetzwerke, Reichsbürger, der Aufstieg der AfD einerseits, Krieg und Gewalt und die sich immer weiter verstetigende soziale Ungleichheit andererseits führen zu krasser Entsolidarisierung, sie verhindern ein selbstbestimmtes Leben vieler und das solidarische Miteinander.
Wir denken allerdings, dass eine einmalige Symbolaktion nicht reicht, wenn sie dergestalt an der Oberfläche kratzt, wie die geplante Aktion.
Seit über einem Jahr finden die Demonstrationen von rechten Akteur*innen in Leipzig statt, teils sehr große Versammlungen. Es sind nur wenige, zumeist die immerselben und sehr junge Leute, die sich der rechten Melange aus Verschwörungsideologen, Faschisten, Nationalisten und Demokratieverächtern widersetzen. Nicht nur mit dem Widerspruch, der sicher hier und da etwas holzschnittartig war, wurden sie von vielen Protagonisten der Zivilgesellschaft allein gelassen. Sondern auch mit Polizeigewalt und Mitarbeiter*innen der Versammlungsbehörde der Stadt, die ihnen ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verwehrt hat. In Schutz genommen wurden die Antifaschist*innen von den Repräsentant*innen dieser Stadt nicht.
Wir erleben in diesen Tagen nicht zum ersten Mal, dass Rechte verschiedener Couleur Deutungsangebote und vermeintliche Lösungen für die Krisen unserer Zeit anbieten. Es ist kein Zufall, dass aus den montäglichen Leipziger Demos Geflüchtete aus der Ukraine angefeindet wurden, dass auf den Demos die Klimakrise geleugnet und einem Systemwechsel ins Uniforme und Autoritäre das Wort geredet wird – soziale, egalitäre Lösungen fehlen dagegen.
Auch im zivilgesellschaftlichen Aufruf zum 30. Januar fehlt diese Dimension. Für uns ist sie entscheidend. Wenn die Ungleichheit für viele wächst, während einige wenige und ihre Vermögen für die Gemeinschaft unangetastet bleiben, läuft etwas schief. Wenn Solidarität im großen Maßstab fehlt, dann wird sie auch im kleinen, alltäglichen nicht funktionieren.
Wir müssen über soziale Gerechtigkeit und Umverteilung reden. Die Solidarität, die wir meinen, ist inklusiv und schließt niemanden aus.
Es darf nicht bei einer symbolischen Aktion bleiben. Wir müssen es schaffen, auf komplexe gesellschaftliche Problemlagen komplexe Antworten zu finden, ohne Konflikte zu verkleistern.
Zugleich braucht es auch einen Blick auch über Leipzig hinaus. Gerade in kleineren Städten wie Bautzen, Altenburg oder Gera sind die rechten Demonstrationen schon längst selbstverständlich, und auch hier werden die Proteste und die Zivilgesellschaft allein gelassen.
Wir werden am 30.1. mit auf die Straße gehen, wie auch an den Montagen davor und danach. Und wir hoffen, dass das Zusammentreffen der verschiedenen Akteure auch als Chance wahrgenommen wird, in einen gemeinsamen Dialog für eine solidarische und freiheitliche Stadtgesellschaft einzutreten.